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Gabriela Grundler - Rainer Ganahl Interveiw: November 2007 (unedited - also unkorrigiert.. - nicht einmal durchgelesen)

Gabriela Grundler: Kunst steht immer in Beziehung zu ihrer Zeit. Was ist deiner Meinung nach bei der heutigen Generation von konzeptuell arbeitenden KünstlerInnen von der kritischen Haltung gegenüber Kunstmarkt, Kapitalismus, gesellschaftspolitischen Themen übrig geblieben? 

Rainer Ganahl: Bei sehr vielen sehr wenig. Es dominiert derzeit eine gewisse enervierende nostalgie fuer klassische konzeptkunst, die es zu kopieren gilt. Ab und zu, aber eher selten, begegnet man auch einem hang fuer polit-chique, der mehr chique also politisch ist, bzw. politische rhetorik als feigenplatt fuer anderes nutzt. Institutionelle kritik ist oft degeneriert zu institutionellem narzismus.

Ist Kunst für dich ein Vehikel um auf soziale, politische oder ökologische Missstände aufmerksam zu machen?

Kunst ist fuer mich ein vehikel mit dem leben zurecht zu kommen. Das impliziert den meist problematischen umgang mit unserer sozio-oekonomischen ,  politisch -kulturellen und  oekologisch- medialen  welt.   Ohne kunst fuer aufzeigefunktionen instrumentalisieren zu wollen ist es unvermeidlich, mit ihr nicht in einem konfliktuellen verhaeltnis zu unseren diversen umwelten zu stehen. 

Haben Künstler deiner Meinung nach eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen in der Gesellschaft?
Künstler unserer gesellschaft sollen gute kunst machen. Gute kunst wiederum versteht es, mit der gesellschaft einen interessanten nicht-antizipierbaren kritisch/witzigen pakt einzugehen, ohne sich davon definieren zu lassen.  Kuenstler sollen gesellschaft und kunst nicht nur neu definieren, sondern auch veraendern, wie das uns marx schon in bezug auf die philosophie zufluesterte.

Kann Kunst deiner Meinung nach etwas verändern in der Gesellschaft?
Ja. Wer es als kuenstler schaft, unser kunstverstaendnis zu veraendern, der veraendert unabsehbar auch unser verhaeltnis zur gesellschaft und damit den umgang mit uns selbst, mit unserer umwelt und unseren institutionen.

Würdest du dich selber als Konzeptkünstler bezeichnen?
Wenn ich ins eck gedraengt werde, wenn ich plakativ oder gar primitiv mich illustrieren muss, wenn sonst keine anderer tueren offen stehen, kann mir solche eine bezeichnung zur hilfe kommen.   

Arbeiten heutzutage nicht alle KünstlerInnen konzeptuell?
Es haengt das vom begrifflichen inventar und der vorliebe der jeweiligen gespraechssituation ab. Jede menschliche bewegung ist an konzeptelle operationen und vorstellungen gebunden, was uns aber nicht bewusst sein muss, bzw. was fuer das erfolgreiche funktionieren unseres körpers nicht bewusst gemacht werden sollte, kaemen wir sonst ins stolpern. Konzeptuel orientiertes arbeiten fuer mich provoziert jedoch gerade jenes stolpern, dass wir durch automatismen und wiederholungsleistungen zu vermeiden lernten.

Siehst du Kunst als eine Kommunikationsform an?
Wenn das paradigma kommunikation einen umfassenden austausch von uns selbst beinhaltet und sich nicht nur auf das hin- und herschieben von informationen beschraenkt , dann stimme ich dem zu.

Man verlangt von den KünstlerInnen, dass sie bereitwillig Auskunft über die Konzeption ihrer Arbeit erteilen,
das sie Kontakte knüpfen, sich und ihre Arbeit selber managen und Konzepte strategisch planen. Was hälst du
von dieser Entwicklung und wie gehst du damit um?
Ik verstehen nix.

Wieviele Ausstellungen bewältigst du im Jahr?
Das haengt von den ausstellungen, dem budget, den moeglichkeiten ab. Aber machst du dieses interview fuer ein studium von art management, business administation oder kunstgeschichte?

Kannst du von deiner Kunst leben?
Man kann immer irgendwie leben. Kunst ist wie liebe und frische luft ein wesentliches ellixir. Die frage haengt wiederum davon ab, ob ich leben als geld definiere und kunst als den kuerzesten weg zur bank. Da meine kunst mit lernen und leben zu tun hat, darfst du meine antwort affirmativ vermerken.

Ist Kunst eine Ware?
Der kommodifizierungsprozess unserer gesellschaft macht selbstverstaendlich mit kunst keine ausnahme. Ganz im gegenteil, kunst ist das experimentierfeld immer wieder neuer formen der versachlichung und vermarktung, was aber nicht heisst, dass man den zug nicht vor der ankunft am bahnhof verlassen kann. Ein differenziertes kunstverstaendnis sieht in kunst quasi-kontrafaktisch jedoch kein totalisiertes nur auf monetaere tauschaktionen reduziertes produkt, das sich bestens zur kapitalanlage, geldwaesche, steuerumgehung und schlimmeres eignet. Jeder kann mit kunst machen oder nicht-machen was er will. Ich versuche mit kunst was zu lernen und weniger damit was zu kaufen oder zu zahlen – es kommt aber auch das vor. 

Ist Verweigerung noch möglich und noch erstrebenswert?
Wenn man weiss, gegen was und warum man sich verweigern soll ist verweigerung hoffentlich nur die einzige option. Wenn aber verweigerung nur ein spiel unter spielen ist, dass es opertunistisch oder naiv zu nutzen gilt, dann kann verweigerung auch ein obszoenes, formalistisches vehikel für plattes kunstspektakel sein.

Wie wichtig sind dir bei deiner Arbeit formale Aspekte?
Jeder menschliche und soziale ausdruck hat eine formale dimension die wichtig ist.  Im sinn des ockhamschen messers liegen meine formalen vorlieben auf funktion, kontext, geschichte und oekonomie. Jede geschmacksformation muss jedoch historisch, sozial und materiell-oekonomisch kontextualisiert werden.

Erledigst du alle Pläne und Entscheidungen für deine Arbeit im voraus oder änderst Du manchmal ein Konzept/Idee während der Umsetzung?
Ich arbeite so wie ich denke, rede und schreibe: mit offenen tueren, toren, fluegeln, und deckeln.

Wie kommst Du zu deinen Ideen? Spielen persönliche Erfahrungen als Ausgangspunkt einer künstlerischen Arbeit eine Rolle für dich? 
Nicht nur lebt man nur einmal, einmalig ist auch das leben.

Bist du der Meinung, dass jeder Mensch Kunst machen kann?
Beuys und gramsci haben recht, wenn sie jeden als keunstler und als intellektuellen definieren. Das jedoch ist noch keine aussage ueber die jeweilige kunst oder das jeweilige denken. menschen, die was zu sagen haben, sagen es und jene, die was zu zeigen haben, machen es.

Viele private, selbstgebastelte Homepages oder Filme, Gedichte, Fotos auf dem Internet ähneln Kunstwerken. Wie unterscheiden sich diese Werke von Kunst?
Formal und inhaltlich wahrscheinlich nicht. Ich finde davon recht vieles spannend. Der einzige unterschied zur kunst-kunst ist vielleicht der, dass keunstler jener sorte unkraut angehoeren, das ueberall waechst und vor nichts innehaelt – also auch nicht vor kunstakademien, galerien, kunstvereinen, kunstsammlungen, museen und dergleichen institutionen, die elitaer und klassenbewusst sind. 

Setzt du dich mit der Geschichte der Kunst, vorallem der Konzeptkunst oder auch der Fluxusbewegung auseinander, wenn ja, würdest du sagen, dass du ihren Geist weiterführst?
Ich sehe da keinen unterschied. Ich setze mich mit all jenem auseinander, was mich auseinandersetzt, oder interessiert, egal welcher provinienz. Ich glaube nicht an geister, aber ich versuche, kunst zu machen, die meine unmittelbaren interessen transzendiert und auch fuer weitere kreise und generationen noch was zu sagen hat. Braucht es dazu ein label?

 

 

EDITED WITH ONE MORE Q-A:

 

Interview mit Rainer Ganahl  (1961)
Email-interview erhalten am 1. Dezember 2007

 

Gabriela Gründler: Kunst steht immer in Beziehung zu ihrer Zeit. Was ist deiner Meinung nach bei der heutigen Generation von konzeptuell arbeitenden KünstlerInnen von der kritischen Haltung gegenüber Kunstmarkt, Kapitalismus, gesellschaftspolitischen Themen übrig geblieben?
Rainer Ganahl: Bei sehr vielen sehr wenig. Es dominiert derzeit eine gewisse enervierende Nostalgie für klassische Konzeptkunst, die es zu kopieren gilt. Ab und zu, aber eher selten, begegnet man auch einem Hang für Polit-chique, der mehr chique also politisch ist, bzw. politische Rhetorik als Feigenplatt für anderes nutzt. Institutionelle Kritik ist oft degeneriert zu institutionellem Narzissmus.
Ist Kunst für dich ein Vehikel um auf soziale, politische oder ökologische Missstände aufmerksam zu machen?
Kunst ist für mich ein Vehikel mit dem Leben zurecht zu kommen. Das impliziert den meist problematischen Umgang mit unserer sozioökonomisch ,  politisch -kulturellen und  ökologisch- medialen  Welt. Ohne Kunst für Aufzeigefunktionen instrumentalisieren zu wollen ist es unvermeidlich, mit ihr nicht in einem konfliktuellen Verhältnis zu unseren diversen Umwelten zu stehen.
Haben Künstler deiner Meinung nach eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen in der Gesellschaft?
Künstler unserer Gesellschaft sollen gute Kunst machen. Gute Kunst wiederum versteht es, mit der Gesellschaft einen interessanten nicht-antizipatorischen kritisch-witzigen Pakt einzugehen, ohne sich davon definieren zu lassen. Künstler sollen Gesellschaft und Kunst nicht nur neu definieren, sondern auch verändern, wie das uns Marx schon in Bezug auf die Philosophie zuflüsterte.
Kann Kunst deiner Meinung nach etwas verändern in der Gesellschaft?
Ja. Wer es als Künstler schafft, unser Kunstverständnis zu verändern, der verändert unabsehbar auch unser Verhältnis zur Gesellschaft und damit den Umgang mit uns selbst, mit unserer Umwelt und unseren Institutionen.
Würdest du dich selber als Konzeptkünstler bezeichnen?
Wenn ich ins Eck gedrängt werde, wenn ich plakativ oder gar primitiv mich illustrieren muss, wenn sonst keine anderer Türen offen stehen, kann mir solche eine Bezeichnung zur Hilfe kommen.  
Arbeiten heutzutage nicht alle KünstlerInnen konzeptuell?
Es hängt das vom begrifflichen Inventar und der Vorliebe der jeweiligen Gesprächssituation ab. Jede menschliche Bewegung ist an konzeptuelle Operationen und Vorstellungen gebunden, was uns aber nicht bewusst sein muss, bzw. was für das erfolgreiche funktionieren unseres Körpers nicht bewusst gemacht werden sollte, kämen wir sonst ins stolpern. Konzeptuell orientiertes Arbeiten für mich provoziert jedoch gerade jenes Stolpern, dass wir durch Automatismen und Wiederholungsleistungen zu vermeiden lernten.
Siehst du Kunst als eine Kommunikationsform an?
Wenn das Paradigma Kommunikation einen umfassenden Austausch von uns selbst beinhaltet und sich nicht nur auf das hin- und herschieben von Informationen beschränkt , dann stimme ich dem zu.
Kannst du von deiner Kunst leben?
Man kann immer irgendwie leben. Kunst ist wie Liebe und frische Luft ein wesentliches Elixier. Die Frage hängt wiederum davon ab, ob ich Leben als Geld definiere und Kunst als den kürzesten Weg zur Bank. Da meine Kunst mit lernen und leben zu tun hat, darfst du meine Antwort affirmativ vermerken.
Ist Kunst eine Ware?
Der Kommodifizierungsprozess unserer Gesellschaft macht selbstverständlich mit Kunst keine Ausnahme. Ganz im Gegenteil, Kunst ist das Experimentierfeld immer wieder neuer Formen der Versachlichung und Vermarktung, was aber nicht heisst, dass man den Zug nicht vor der Ankunft am Bahnhof verlassen kann. Ein differenziertes Kunstverständnis sieht in Kunst quasi-kontrafaktisch jedoch kein totalisiertes nur auf monetäre Tauschaktionen reduziertes Produkt, das sich bestens zur Kapitalanlage, Geldwäsche, Steuerumgehung und Schlimmeres eignet. Jeder kann mit Kunst machen oder nicht-machen was er will. Ich versuche mit Kunst was zu lernen und weniger damit was zu kaufen oder zu zahlen, es kommt aber auch das vor.
Ist Verweigerung noch möglich und noch erstrebenswert?
Wenn man weiss, gegen was und warum man sich verweigern soll ist Verweigerung hoffentlich nur die einzige Option. Wenn aber Verweigerung nur ein Spiel unter Spielen ist, dass es opportunistisch oder naiv zu nutzen gilt, dann kann Verweigerung auch ein obszönes, formalistisches Vehikel für plattes Kunstspektakel sein.
Wie wichtig sind dir bei deiner Arbeit formale Aspekte?
Jeder menschliche und soziale Ausdruck hat eine formale Dimension die wichtig ist.  Im Sinn des ockhamschen Messers liegen meine formalen Vorlieben auf Funktion, Kontext, Geschichte und Ökonomie. Jede Geschmacksformation muss jedoch historisch, sozial und materiell-ökonomisch kontextualisiert werden.
Erledigst du alle Pläne und Entscheidungen für deine Arbeit im voraus oder änderst Du manchmal ein Konzept/Idee während der Umsetzung?
Ich arbeite so wie ich denke, rede und schreibe: mit offenen Türen, Toren, Flügeln, und Deckeln.
Wie kommst Du zu deinen Ideen? Spielen persönliche Erfahrungen als Ausgangspunkt einer künstlerischen Arbeit eine Rolle für dich?
Nicht nur lebt man nur einmal, einmalig ist auch das Leben.
Bist du der Meinung, dass jeder Mensch Kunst machen kann?
Beuys und Gramsci haben recht, wenn sie jeden als Künstler und als Intellektuellen definieren. Das jedoch ist noch keine Aussage über die jeweilige Kunst oder das jeweilige Denken. Menschen, die was zu sagen haben, sagen es und jene, die was zu zeigen haben, machen es.
Viele private, selbstgebastelte Homepages oder Filme, Gedichte, Fotos auf dem Internet ähneln Kunstwerken. Wie unterscheiden sich diese Werke von Kunst?
Formal und inhaltlich wahrscheinlich nicht. Ich finde davon recht vieles spannend. Der einzige Unterschied zur kunst-kunst ist vielleicht der, dass Künstler jener Sorte Unkraut angehören, das überall wächst und vor nichts innehält also auch nicht vor Kunstakademien, Galerien, Kunstvereinen, Kunstsammlungen, Museen und dergleichen Institutionen, die elitär und klassenbewusst sind.
Setzt du dich mit der Geschichte der Kunst, vorallem der Konzeptkunst oder auch der Fluxusbewegung auseinander, wenn ja, würdest du sagen, dass du ihren Geist weiterführst?
Ich sehe da keinen Unterschied. Ich setze mich mit all jenem auseinander, was mich auseinandersetzt, oder interessiert, egal welcher Provenienz. Ich glaube nicht an Geister, aber ich versuche, Kunst zu machen, die meine unmittelbaren Interessen transzendiert und auch für weitere Kreise und Generationen noch was zu sagen hat. Braucht es dazu ein Label?

 

Zusatz:

Wie definierst du den Begriff Konzeptuelle Kunst?
Der Begriff Konzeptuelle Kunst hat für mich keinen besonderen Sinn mehr, da fast alles heute bis zu einem gewissen Sinn „Konzeptuelle Kunst“ ist oder sein will. Ich tendiere dazu, diesen Begriff entweder nur für klassischen Positionen zu reservieren oder damit auf zeitgemäße Kunst zu verweisen, die vor mir liegt, die sich nicht verkauft oder vielleicht doch, die sich nicht so leicht einordnen lässt oder doch allem anderen ähnelt, die interessant oder uninteressant ist, die so aussieht „als ob“, ein gewisses nostaligisches „déjà-vu“ feeling vermittelt und nach einer Art „was-ist-das“ Frage lechzt.

Aber ab und zu ist auch mir das „It’s conceptual art“-Kürzel sehr nützlich, wenn ich meine eigene Marktunzulänglichkeit erklären muss oder ich mich aus sozialen oder Zeitgründen einem Erklärungsnotstand entziehen möchte. Ich verwende das auch, wenn meine Eltern mich wiederholt fragen, was Sie denn nun auf Fragen anderer zu meiner Kunst, antworten sollen. Wenn es nicht nach „Kunst“ aussieht, dann soll es wenigstens „Konzeptuelle Kunst“ sein.