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Erziehungskomplex - Ein Ausstellung

 

„Erziehungskomplex“ist eine Ausstellung mit der ich versuche, genau jenen Ort aufzusuchen, wo derKontext Kunst traditionell sein gehaßtes Anderes vorfindet: den derErziehung, der Bildung und seiner Institutionen. Der Titel der Ausstellung willsowohl individuell als auch strukturell gelesen werden. Er bezieht sich auf denTitel eines gleichnamigen Werkes von Mike Kelley, der in „EducationalComplex“ alle von ihm besuchten Schulen aus dem Gedächtnis alsModelle nachbildete.

 

Thematikder Ausstellung ist das Feld Erziehung, Bildung, Intellektuelle und ihreInstitutionen. Diese in der Kunst kaum repräsentierten Bereiche unsererGesellschaft stellen eine besonders wichtige und politische Bedeutung dar. DieIntellektualisierung von Kunst mit der Überlappung von Kunst und(universitärem) kritischem Diskurs spielen dabei ebenso eine Rolle, wiedie Frage nach dem Medium der Ausstellung selbst. Der Vorschlag, meinem sehrumfangreichen „S/L (Seminars/Lectures)" Projekt Arbeiten andererKünstler zuzuordnenen, um ergänzende Positionen diesem Komplexanzufügen, wurde von der Direktorin angenommen. Mit einem Konzept, dasweder als Einzel- noch als Gruppenausstellung gelesen werden will, sind nunmeinen Arbeiten, die den Großteil der Ausstellungsfläche bespielen,eine relativ geringe Anzahl von Werken und Filmen anderer KünstlerInnengegenübergestellt. Die Bandbreite reicht dabei von bildendenKünstlerInnen bis Spiel- und Dokumentarfilmemachern.

 

Meine "S/L (Seminars/Lectures)" Arbeiten sind ein Langzeitprojekt, das sichseit 1995 den Versuch gesetzt hat, zuerst eine Art "Repräsentationvon Intellektuellen" darzustellen. Ich versuche, mir interessanterscheinende Vortragende und Unterrichtende in ihrem natürlichen Umfeld,den Seminar- und Vortragsräumen zu besuchen und zu photographieren. Icherwarte mir, daß diese visuelle Recherche ein soziologisch interessantesBildarchiv in Bezug auf die Sprecher/innen, ihr meist studentisches Publikumund die Erinnerung an die Veranstaltungen selbst abgibt.

 

Die einzelnen Photographieren individualisieren sich jeweilsmit einem Titel, der aus der Benennung des/r Sprecher/s/in, der Veranstaltung,der Institution, des Orts und der Zeit besteht. Wie an anderer Stelle ebenfallsangedeutet, handelt es sich in dieser Photoserie meistens um privilegierteInstitutionen, wo der Zugang zum Wissen und dessen Umfeld wenn nicht direkt anextravagant hohe Studiengebühren - 12.000 bis 20.000 US Dollar/Studienjahr- gebunden ist, so doch indirekt begrenzt wird: Matura, sprachliche undtheoretische Kompetenzen, Aufnahmsprüfungen, um nur einige zu nennen.Privilegien, Wissen und Macht stehen überall Machtlosigkeit undstruktureller Diskrimination gegenüber, die mit den sozialen, ethnischenund geschlechtsspezifischen Abgrenzungen verlaufen. Diese Ungerechtigkeitenspiegeln sich vorallem auch in diesen Institutionen wider, obwohl die von mirbesuchten Vorträge meistens alternative und kritische Gesellschafts- undAnalysemodelle entwickeln.

 

Widersprüche aber zeichnen nicht nur diese sachlichenVerhältnisse aus, sondern stecken auch in der Abbildungsökologieselbst. Wie verhalten sich diese Bilder zum Wissen und zu dem, für wasWissen stehen sollte? Was heißt es, wenn auch noch der akademischeBereich Gefahr läuft, von der Show-, Star- und Spektakelkulturindustrievereinnahmt und scheinbar konsumfähig - eine neue lingua franca - gemachtzu werden? Diese Fragen lassen sich am besten in jene Symptome übersetzen,an denen selbst die akademische Sphäre zu leiden beginnt, erliegt auch sieimmer mehr dem Trend, in der Art der sogenannten Corporate Culture und ihrenPR-Konkurenzverhältnissen zu denken. In den privatenEliteuniversitäten der USA und Japans wirbt man bereits schon umprominente Akademiker mit Gagen wie um Sportsstars, werden"Einschaltsquoten", "Medienpräsenz", handliche"readers" der feinen Herausgeber, Theorietourismus bis hin zuminszinierten, theatralischen Vortrag-Performance immer wichtiger. Auch inEuropa, mit den Kunstakademien voran, werden diese Tendenzen immerspürbarer. Der Habitus und Umgang mit Wissen oder was dafür sichjeweils einsetzen läßt, verändert sich, wie auch dieverhandelten Inhalte selbst. In diesen Prozeß einzugreifen, ihn, wennauch nicht mit unschuldigen Mitteln - Photographie, Ausstellung, der Liste derAbgebildeten, usw. - zu problematisieren, interessiert mich in dem Maße,wie ich selbst diesen Phänomenen kritisch gegenüberstehe.

 

Obwohl die Photographien von Candida Höfer vorwiegend unter rein formalästhetischenGesichtspunkten besprochen werden und ein Katalogautor von ihr wie dieKünstlerin selbst Beziehungen zum Minimalismus konstruieren, interessierenmich vorwiegend nur die abgebildeten Institutionen mit ihrer Geschichte selbst.Die für "Erziehungskomplex" ausgewählten Arbeiten heißen"DHFK Leipzig II" 1991, (Deutsche Hochschule fürKörperkultur), "Institut für Versicherungsrecht derUniversität zu Köln I", 1989, "UniversitätAmsterdam", 1991, "Universität Gent III","Ethnographisches Museum Lisssabon I," 1989 und"WiSo–Bibliothek der Universität zu Köln I", 1989.Die Bilder zeigen leere Unterrichts- bzw. Leseplätze mit ihrergeometrischen, als funktionsgerecht gedachten Innenausstattung.

 

Es ist interessant, daß diese diversen Institutionenalle mehr oder weniger dieselbe Innenraumordnung als Vermittlungsmedium teilen,obwohl sie das Produkt verschiedener, mitunter miteinander konkurrierendernationalstaatlich geregelter Bildungskonzeptionen sind, die denunterschiedlichen europäischen Ländern eigen sind. Diesen Sitzordnungenlassen sich pädagogische Vermittlungsmodelle zuordnen, die einerperspektivischen, panoptischen Tradition entstammen, die aus einem lehrenden,autoritären Zentrum ihren Sinn beziehen. In der Ansicht der"Universität Amsterdam" ist dieses Zentrum durch Monitore ersetzt,was die Reichweite dieses Vermittlungsmodelles noch amplifiziert. In dem Bildist ungewollt auch ein Aspekt der Zukunft der Universität alstechnologische Schnittstelle antizipiert.

 

Ich kann nicht umhin, diese räumlichen Anordnungen unddiese staatlichen Institutionen ohne ihre mitunter autoritären undimperialistischen Geschichten zu denken, die nationalistisch-eurozentristischeIdeologien genauso beinhalteten wie Ideologien, die in ihren mikro- undmakropolitischen Konsequenzen noch katastrophaler sich auswirkten. DieWeltkarte auf dem Photo "Ethnographisches Museum Lissabon I" sowieder Typus dieser Institution lassen sich in jene Diskurse einbringen, die dieFunktionen von kulturellen  Repräsentationendirekt mit politischen Hegemonieansprüchen genealogisch in Verbindungbringen. Edward Said, dessen S/L-Seminarphoto vis-à-vis hängt, isteiner der Literaturwissenschaftler, der u.a. mit seinen Büchern"Orientalism" 1978,  TheWorld, the Text and the Critic" 1983, und "Culture andImperialism" 1993 die offenen und versteckten Beziehungen vonWissensproduktionen mit der Macht und Politik direkt untersuchten.

 

Es wäre jedoch verfehlt, in diesen Institutionen nurTatorte zu sehen. Genauso wie diese Apparate dem Staat unter- und zugeordnetsind, genauso ist ihnen auch eine Sphäre der Autonomie und derKritikmöglichkeit garantiert, was Konflikte zwischen dem Anspruch aufkritische Autonomie und dem liberalen Staat konstitutionell verankert und alsproduktives Korrektiv vorsieht. Es sind diese Staatsapparate so nicht direktmarktwirtschaftlichen Profitkalkülen und Umwegsrentabilitäten in Formvon PR-Leistungen ausgesetzt, sondern nur einem Kultur- und Bildungsanspruch,der immer wieder neu verhandelt und umstritten werden will.

 

Wenn der sachliche Bezug zum Photo "Institut fürVersicherungsrecht der Universität zu Köln I" mit demHauptbetätigungsfeld der Muttergesellschaft der mich eingeladenen GeneraliFoundation groß ist, so sind die Unterschiede zwischen staatlichenKulturvermittlungsinstitutionen - Universitäten, Museen usw. - undprivatwirtschaftlichen Akteuren größer als es scheint. Ist einestaatliche Institution durch sein politisches Selbstverständnis herausverpflichtet, seine kulturellen Institutionen zu unterhalten und zu garantieren,so sind privatwirtschaftliche Unternehmungen in Sachen Kulturvermittlung keinemBildungsauftrag gegenüber verpfichtet. Diese sind hauptsächlich daswilkürliche Produkt der Exzellenz ihrer wirtschaftichen, finanziellen,organisatorischen und direktorischen Kapazitäten, die permanentenVeränderungen und Fluktuationen unterliegen. Sind im Bereich der Museums-und Ausstellungsaktivitäten die Ergebnisse zwischen staatlichen undprivatwirtschaflichen Institutionen noch vergleichbar, so sind die Konsequenzenauf universitärer Ebenen klarer ersichtlich, wo bereits jetzt der Druckder Corporate Culture auch auf die Organisation der noch nicht privatisiertenstaatlichen Universitäten enormen Einfluß nimmt. UnproduktiveWissenszweige werden geschlossen oder finanziell ausgedürrt;Studienlehrgänge werden getrimmt und mit Maximalstudienzeiten versehen;die Studien werden standartisiert und quantitativ evaluierbar gemacht; usw....

 

Diese von mir hier angebotene Leseweise ist keine sogenannte"Institutionskritik", wie sie sich in den letzten Jahrenhauptsächlich im deutschsprachigen Raum als Kunstproduktion- und-vermittlung institutionalisiert, akademisiert und als Ware verkauft hat,sondern ein Versuch, die Felder Kunst, Pädagogik, Kultur und Politikzusammen mit den massiven Umwandlungen als Folge der neoliberalenGlobalisierung der Wirtschaft-, Produktions-, Arbeits-, Finanz-, Kapital- undKonsummärkte zu sehen. Es ist dies ein Kritikmodell, das im rapidenVerwandeln des Staates in einen entpolitisierten, bürokratischen Apparatund der Parallelentwicklung des Konsumismus wesentliche Auswirkungen aufkulturelle und kritische Produktionen sieht. Tendenziell wird der Staat vomtransnationalen Corporate Sektor unterlaufen. Seine juridischen und exekutivenMonopole leiten Geltung nur mehr aus prozedurieller Faktizität ab undnicht mehr aus einem diskutierbaren, umstreitbaren, politisch-ideologischenWertgefüge.

 

Candida Höfers Photographien verlieren unter diesemBlickwinkel etwas von der konsumierbaren ästhetischen Aura des Strengen,Minimalen, Unaufdringlichen, Schönen und ihre Objekte ihre angeblicheNeutralität. Ich sehe in der anscheinenden Objektivität der Abbildungund des Abgebildeten einen produktiven Gegensatz zu den "S/L(seminars/lectures)" Arbeiten, die vorallem jene Vortragenden undZuhörer zeigen, die versuchen, einen alternativen Kanon zu den bestehendenzu erarbeiten. Ich sehe aber in diesen Höfers Abbildungen auch einenostalgische Dimension, die vielleicht damit zusammenhängt, daßdiese Institutionen selbst Gefahr laufen, in ihrer jetztigen, mehr oder wenigerfrei zugänglichen Form zu verschwinden.

 

In „Dialog #1 (An Excerpt from 'Theory, Garbage,Stuffed Animals, Christ')“, 1991, von Mike Kelley führen zwei Plüschtiere einGespräch, das Theorieproduktion und Vermittlung unter einempopulär-kritischen Gesichtspunkt reflektiert. Was hier als animalesPuppengespräch sich lächerlich, banal und pathetisch anhört undvorgibt, einer abgelauschten "abendlichen Unterhaltung eines romantischenfranzösischen Restaurant's" zu entstammen, entpuppt sich jedoch alsstrategischer Dialog, der brissante Themen aktueller Theorieproduktioneninteressant verzerrt reflektiert.

 

Obwohl der Text selbst großzügig zumInterpretieren einlädt - "Ja, sie [die Texte] müssen benutztwerden. / Wird etwas benutzt, dann bedeutet das teilen. / Niemand hat die Autorität, umalleine reden zu dürfen." und ich mich mit diesem Prinzip schonalleine durch meine organisatorische und kommentierende Haltung in dieserAusstellung hundertprozentig identifiziere, möchte ich hier weder eineTextanalyse noch ein Topikpicken vornehmen.

 

Die "explodierten" Puppen mit ihrem dialogischenTheater sehe ich als eine immanente Kritik an Kunst und seinen Prinzipien. Wennlaut Adorno nach Ausschwitz keine Poesie mehr möglich ist, weil besondersauch Kunst und Kultur wesentliche Mitschuld an Ausschwitz tragen, so zitiert erjene Bereiche auf den Plan, die von einem humanistischen,bildungsbürgerlichen Kulturverständnis ausgeschlossen blieben:Populärkultur, Massenkultur, Medien- und Spektakelkultur, derenVermittlungszeiten und Aneignungs- und Gebrauchsmodi andere sind.

 

Mike Kelley zählt heute zu einem der wichtigenKünstler, die den Begriff von Kultur und Bildung effektiv und erfolgreichattackieren, hnterfragen und in ihrem Anspruch auf Aufklärung unduniverselle Verbindlichkeit demontieren. Der Begriff Kultur wird so auch durchdiese Form von Kritik von "unten" in seiner Problematik und seinerarbiträren Konstruiertheit offensichtlich.

 

Mich interessiert im Zusammenhang dieser Ausstellung aberauch die Gegenüberstellung von Mike Kelley'släppisch–animalischen Gasthaus-Philosophen in verhunzt-platonischer Tradition mit den Abbildungen derProfessoren, Vortragenden und Teilnehmern, die die "S/L(seminars/lectures)" Serie in einem respektableren Umfeld vorführt.Während es sich bei dieser Serie um prestigiöse teure Institutionendreht, handeln sich die Stoffviecher auf einer Decke interessant zwischen"Theorie und Abfall" entlang.

 

         "Neulichkam der Körper eines berühmten Theoretikers in unsere Klasse.

         Jetztglaubt ihm kener mehr, was er geshrieben hat.

         ....

         EinenPhilosophen sollte man nie zu Gesicht bekommen!

         Esist so erbärmlich ... man denkt sofort an Geld und an Prostitution.

         EinderartigerFehler würde uns nie unterlaufen.

         Wir würden uns nie physisch manifestieren.

 

IF, 1968, von Lindsay Anderson, hat nicht nur eine ganze Generation von Engländernbeeinflußt, sondern auch mich als fernsehschauender, sich selbstüberlassener Hauptschüler im konservativ abgeschiedenen MilieuVorarlbergs. Interessanterweise zwang sich mir schon in den Anfängen derVorbereitung zu dieser Ausstellung eine titellose, jedoch scharfe Erinnerung andiesen Film auf, der mich aufgrund mehrerer Details in meiner frühenJugend magnetisierte. Seine sadistisch-disziplinären und homoerotischenSequenzen waren genauso prägend, repräsentierend undidentifikationsfähig wie auch seine projezierten radikalen, revoltierendenBefreiungsversuche. Der feine Schlagstock und die elastischern Ruten wurden vonmanchen Lehrern der Bludenzer Volks- und Hauptschule noch in denSiebzigerjahren gegen uns Schüler und mich selbst als"Lehrmittel" und Disziplinierungsinstrument angewendet.

 

Lindsay Andersons versucht, mit den Mitteln eines Spielfilmsein Dispositif von Wissen, Macht, Gewalt, Disziplin, Sexualität undExklusivität  zu vermitteln,wie er nicht nur für einen sehr gehobene Schicht der bevorteilten Klasseder englischen Internatsjugend von Wirklichkeit gewesen sein mag. Der strengvorgegebene und kontrollierte Subjektivierungsprozeß wird jedoch nichtnur als individueller, an sogenannten klassischen Bildungsidealen orientiertergezeigt, sondern auch als einer, in den sowohl der Staat, das Königshaus,das Militär und die Kirche direkten Einfluß zu nehmen versuchen. Esist nicht unbedeutend für das kulturelle Entstehungsumfeld dieses Filmes,daß der in Indien geborene, britische Filmemacher Lindsay Anderson einenseiner Akteure die Sommerferien in Indien, der Exkolonie Großbritaniensverbringen läßt.

 

Paradoxerweise erschien dieser spektakuläre Film genauin jenem Jahr, in dem in den meisten Industrieländern Studentenrevoltendie sich nicht nur cinematographische Realität verschaffen wollten. Es magein liberalerer Geist auch den ORF bewegt haben - wenn es nicht das deutscheoder schweizerische Fernsehn war - , einige Jahre später diesen Film unzensuriert zu senden. Zumindestbekam ich damals via Fernsehn mehr von diesem Spielfilm zu sehen als heute inder Version eines New Yorker Filmverleihers, der sich einer Reihe vonsexuellen, homoerotischen und transgressiver Szenen entledigte.

 

Die Auswahl eines narrativen Spielfilms für"Erziehungskomplex", der heute via des transnationalen MedienkonzernsParamount Pictures vertrieben wird, ist weniger eine Folge von wieder in Modegekommener Ausstellungskonventionen, die sich mit Vorliebe des Spielfilmsbedienen, sondern die anderer Überlegungen. Wiederum geht es um denGegensatz zu den abstrakteren, indexikalisch operierendenRepräsentationsformen, wie ich sie für meine eigenen Praktikenvorziehe, die jeder Form von Narrativität in der präsentierten Arbeitauszuweichen versuchen, ohne jedoch den diskursiven und ideologischen Bezugaufzugeben. Es ist in diesem Sinne nicht von Belanglosigkeit, daß zurZeit der Produktion und des Erscheinens von "IF" nicht nurstudentiche Revolten stattfanden, sondern auch die Gruppe der"Internationalen Situationnisten" eine vehemente Kritik derGesellschaft des Spektakels entwarfen, die die Bildproduktion ideologiekritischuntersuchte, obwohl sie selbst gerne spektakuläre Bilder zu Illustrations-und Agitationszwecken einsetzten. Spektakel ist gemäß Guy Debordsnicht nur ein Ensemble von Bildern, sondern jedes soziales Verhältnis, dasmittels Bildern mediatisiert ist.

 

Fredrick WisemansFilmarbeit ist eine lange und konsequente. Seit über 30 Jahren machtWiseman außergewöhnlich minutiöse Dokumentarfilme, die einLicht auf die Ausbildungs- und Erziehungsinstitutionen der amerikanischenGesellschaft werfen. Sein dokumetarisches Interesse gilt neben den diversenSchultypen auch der militärische Ausbildung, den Psychiatrien,Spitälern und Gefängnissen, um nur einge der unteschiedlichenInsitututionen zu nennen, deren gesellschaftsreproduzierende Aufgabe vorwiegenddarin liegt, Subjekte zu erziehen, zu korrigieren, zu normalisieren und zudisziplinieren. Es kann deshalb diese filmische Arbeit als ein Pendant zu dengenealogischen Protokollen und Reflexionen von Michel Foucault gesehen werden.

 

Die Einbeziehung der Filme von Wiseman verleiht derAusstellung "Erziehungskomplex" eine soziologische Dimension ganzanderer Art, indem sie die Erziehungs- und disziplinäre Welt jenseits derpriviligierten Institutionen beobachtet und sie für sie selbst sprechenlassend dokumentiert. Es sind dies vorwiegend die Ausbildungs- undDisziplinierungsstätten jener amerikanischer Gesellschaftsschichten, diemehr oder weniger strukturell von den privilegienschaffenden Eliteschulenausgeschlossen bleiben: Es ist nur zu erinnern, daß die Chancen, imGefängnis zu landen, in der heutigen USA für junge Afroamerikanerstatistisch größer sind, als ein College zu besuchen.

 

Um die Ausstellung zumindest visuell auf den BereichWissenensvermittllung zu begrenzen, und um ein klares Gegenstückbezüglich des Mediums als auch der gewählten Repräsentationsformzu meinen "S/L (seminars/lectures)" Arbeiten zu setzen, habe ich michaus der großen Anzahl von Wisemans Filmen für die folgenden dreiSchulfilme entschieden: „High School“, 1968, „High SchoolII“, 1968,  und„Blind“, 1986, deren Filmbeschreibungen sich im Anhang finden.

 

Die einzelnen Arbeiten sind von einer eigenenAusstellungspädagogik in Form von Kurztexten begleitet, aus denen dieserText hier resultiert. Für pädagogische Zwecke steht auch eine Auswahlvon 25 Büchern zur Thematik der Ausstellung bereit, die ich mit dem Titel"Erziehungskomplex - Eine tragbare Bibliothek" versehen habe. EineDiskussion zur Ausstellung und zu den beiden Büchern: Bill Readings, TheUniversity in Ruins, 1996 und Sande Cohen, Academia and the Luster of Capital,1993 findet am Internet(http://www.thing.net/thingnyc/wwwboard2/wwwboard2.html) statt. Reaktionen aufdie Ausstellung sind erbeten und können via elektronischer Post an michgerichtet werden: rganahl@thing.net.

 

Rainer Ganahl

 

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